German
SO AN SIE DENKEN
(Úgy gondolni rá)
Ihr Händedruck ist knöchern, trocken, für ein weibliches Wesen
männlich: mit den lebenden Körpern anderer, auf die Art
berührt sie sich seit Jahrzehnten, in den seltensten
Fällen umarmt oder liebkost sie jemanden, es ist
nicht ihre Art, für Säuglinge
lallt sie, kaspert sie.
Ansonsten betastet sie auch tote Körper nur
an Feiertagen, unter der Woche (oft auch
am Wochenende) kauft sie kein rohes Fleisch, sie mag
lieber Aufschnitt, Kochwurst, Halbfertiges
oder Tiefkühlkost.
Auf das Fleisch von Obst und Gemüse würde sie freilich
niemals verzichten, sie hat nicht umsonst ihr Leben lang
als Gärtnerin gearbeitet, Tomaten von Kinderkopfgröße
großgezogen im Garten am Balaton diverse Sorten
Äpfel, Pflaumen, Pfirsiche sind in sorgfältigem
Nacheinander eingetroffen, es gab immer etwas zu essen.
Gerade deshalb ist es schwer und wăre auch falsch, in der
Vergangenheit von meiner Großmutter zu sprechen, an ihre
in letzter Zeit unter der runzligen Haut geschrumpften
Muskeln nur noch zu denken
wie an das hühnerbrustweiße der Platane,
wie an das grätig-saure der Akazie,
wie an das adrig-stoppelige der Tanne
wie an das nach Wein schmeckende Fleisch des Sauerkirschbaumes
IN FÜNF MINUTEN ZUM MOND
(Öt perc alatt a holdra)
Jene kaum fünf Minuten Fußweg von der technischen
Abteilung der Selbstverwaltung zum Hügel hinauf
über die kleine Brücke – rechts die mittelalterliche
Ruine, links die Hochschule, in der einen Hand
die Aktentasche, in der anderen den Mülleimer
Letzterer ein nagelneues, fettiges, matt schimmerndes
Stück, die Narben des Spritzgusses auf seinem Körper sind
fast noch frisch, während ich ihn trage
klappert sein Deckel befriedigt, wer hätte gedacht, dass ich
einmal ein eigenes Haus, einen Garten dazu, obendrein
einen eigenen Mülleimer im Garten haben werde, ich schleppe
den Beweis meines Eigentümerstatus, diese schwere
und vor allem unförmige Last, die gegen mein Bein schlägt
ich halte sie ein wenig weg von mir, und stelle damit
meinen Unterarm auf die Probe.
Inzwischen türmt sich vor meinem geistigen Auge der ganze
Müll auf, den wir im Laufe der kommenden Jahre
hineinfüllen werden, ein imposanter Haufen
kaum je zu verarbeiten
Ich bewege mich den Hügel hinauf mit diesem zylinderförmigen
mattschwarzen Teil, ich trage es hoch, es trägt mich
hoch, wie die gewisse hohleKanonenkugel ihre Passagiere
zum Mond trägt im Verne-Roman
ENZIAN
(Encián)
Im Wald haben sie eine Bodenprobe genommen, als
die Geologen gerade ihre Arbeit verrichteten
sind sie im Wasser des Baches auf viele
Hände voll herumliegende, nicht kassifizierbare
rikitoblaue Kristalle gestoßen
Sie steckten eine Menge davon ein und fingen an
Sie auf dem Markt zu verkaufen, die Leute kauften
wie Zucker
Aus Neugier hat dennoch einer von ihnen
so ein Glitzerchen zerbrochen, um zu sehen
was drin ist
Alles was er fand, waren Schafsäpfelchen
es scheint, aus dem Wasser bildet sich gerade
um den Kot herum irgendein Mineral
Und sag bauen wir nicht auch etwa um
den liegengelassenen Auswurf der Wirklichkeit herum
des Gedichtes wunderlichen Enzian?
FLEISCHES FLEISCH
(Hús a hústól)
Zuhause, schwüler Sommer, Halbnacktheit.
Auf dem Teppichboden kauernd, in kurzer Hose
die Kinder, ganz Schulter, spitz, rundlich,
ganz mild gebräunte Haut, winzige Rippen
Gebiss, Sehnenspannung, Sohlenrunzeln, Handflächen-
kissen.
In solchen Momenten versteht man, was es heißt: meines Fleisches Fleisch, meines Blutes Blut. Schau, da quillt es in bläulichen Zweiglein unter der durchschimmernden Folienoberfläche der Haut. Meines. Ihres.
Unseres?
Das Zimmer ein Kessel voll dunstigen Fruchtwassers,
taumeln wir wie Astronauten in der Körpergrenzen aufhebenden, Körperwärme übersteigenden, verlangsamten Luft.
Unentschieden der Augenblick, möglicherweise bleiben wir hier,
auf ewig im All, schwebend am Rande des gegenseitigen und eigenen
Seins
an diesem schwerelosen Thermalnachmittag, als rosa Schläuche,
Ahnen oder späte Nachfahren, wer weiß, am ehesten wohl
beides: Fleisches Fleisch, Blutes Blut, auf dieser einzig lebendigen
kissenweichen Handfläche.
FÜNF PAAR
(Öt pár)
Als ich die fünf Paar Socken (zusammen sind sie billiger)
vom lächelnden ergrauenden
kleinen Chinesen kaufte
fiel mir nichts besonderes ein
höchstens so viel: komisch die werden auch grau
komisch dass solche Chinesen
also was in solchem Falle jeder denkt
aber als ich in Angriff nahm
das Sockenwaschen
ließ ich das Wasser gleich fünfzehnmal
fünfzehnmal eben
strömte dann die schwarze Soße ohne Unterlass
schwarze Socken herzustellen ist also einfach
nimm eine weiße und färb sie schwarz
aber zurück genauso
nimm eine schwarze und wasch sie weiß
siehe das von geringer Menschenkraft bewegte
Perpetuum Mobile alias Ich als Sisyphus
wälze den Klumpen im klaren Wasser
das sobald ich oben angelangt bin bereits immer schwarz ist
also der kleine ergrauende Chinese
wusste was von der Eitelkeit der Dinge
und sein Wissen übergab er mir auch in die Socke verpackt
Übersetzung von Nicolaus Gerschevski
ACH IHR STÄDTE
(Ó városok)
Ach ihr Städte die ihr an die dahintreibenden
Himmelskörper kratzt zu stumpf
sind eure Türme
erst eure Antennennadeln jagen
der Frequenzen
fremden unsichtbaren Stoff
in die Venen des Raums bis der gespannte Arm
auschwillt und abends sich lila entzündet
RINGS UM DIE WUNDE
(Körül a sebként)
Rings um die Wunde pulsierender Sommer
der Weg führt entlang an Zäunen und
Bäumen die Sonne
legt auf sein Gesicht
immer neue Masken
unmöglich über das Alter zu reden
darüber zu reden macht was anderes daraus
Großmutter die den Küchenschwamm
bäckt die Blumen
aus der Vase verschlingt
der säuerliche Geruch ihrer Kleider und geschwollenen Beine
das ist nur die Anekdote die Wirklichkeit trifft es nicht
nur er ist wirklich: wie er einst einbog
in jene sommerliche Straße
auf der er bis heute sich nähert
während Funken auf sein Gesicht sprühen
von den Schleifsteinen des Lichts
REICH DER NACHT
(Éj-hona)
Das Licht der wachenden Lampe wie ein geometrischer Kegel
Frau und Kinder schlafen
Wenn alles ruht kann dann nicht endlich dies Gerede
über alles auch ruhn?
Auf der Straße ab und zu ein Auto eine Licht-Karre vor sich herschiebend
wie ein müder Erdarbeiter
Die Wohnung wie eine Dose Tomatenmark lohnt gar nicht das Aufmachen
Dort schlafen sie wie irgendwelche Schlüssel in unabgeschlossenen Schlössern
Was mag sich abspielen wenn sie sich drehen diese luftigen Schlüssel-Köpfchen
die jede Wahrnehmung abgestreift haben?
Ließe eine solche Partitur sich spielen auf der Klarinette der Nacht?
Durch die verborgenen Fasern der kreisgeflochtenen strohblonden Bastdeckchen
wandert nun das Fehlen der Sonne
Ich kriege Angst der Kühlschrank könnte sich öffnen und die zugeknöpfte Kälte
Der atomartigen Erbsen würde auf mich niederprasseln
Wie aus der Ferne der verwaschene Glockenklang
der Gläser in der Spüle
Ach kurz gesagt die Welt ist gut mindestens so gut wie das nach Kaffeeresten
schmeckende Spülwasser
Würden nur die wirren Fäden des Honigs die Schlieren des Augenblicks weiterzeichnen
Würden die Minuten nur verstreichen in diesem zielgerichteten Warten wie jene
dreieinhalb bis das Ei gekocht ist bis der Tee gezogen hat
Eimerweise verschütt ich die Zeit als wäre sie Spülwasser
der Hof ist voller Flitter
Herr ich der in der Tiefe der Flasche kauernde
Herr ich der mit dem Zeitzünder Geschädelte
Herr ich diese wie ein gemusterter Fächer geöffnete Seele
Betäubt sitze ich auf deinem Tisch
wie süß doch diese Operation!
ES WIRD HERBST
Der Herbst bricht an, vom Himmel stürzen
kreisend und kreischend die stählernen Vögel
alten Uhrwerken gleichend
in rasender Schnelle werden erglühen
die Pfeile des Herakles, metallenes Blut spritzt
frühmorgens dann stochert der Frost mit seinem Nagelstock
in den Trümmern nach brauchtbaren
Einzelteilen, einschmelzbarem
Metall, aber nichts,
nur ein paar rostfrei kreisende, leise zeigernde Minuten
unter einem Haufen seelenloser Skelette
Deutsch von Gerhard Falkner
DIE ANBETUNG DES LAMMES
(A bárány imádása)
1. Die Annäherung
Das lebendige Fleisch vom reichen Faltenwurf
der Tücher rundum verhüllt:
sie hüllten gut und gerne fünfmal mehr an Menschen ein.
Enthüllte jemand alle, schälte er
die Körper aus den Tüchern,
häuften sich die Stoffe alle, in sich selbst gemustert, purpurn,
nachtblau und smaragden, und wie Menschenhaut, zu Berge.
Zu einer Bahn vernäht ergäben sie ein Meer,
das auf der Bühne wogt, von Statisten allseits
auf und ab bewegt,
eine weit geblähte Plane spielte Dünung.
Alles Fleisch geht ab
von bloßen Knochen,
eine veritable Fleischerei,
viele Zentner roten durchzogenen Marmors.
Verklebte Haare, Bärte werden umgestülpt:
Fellmützen, triefend naß.
Sonnenstrahlen klingen,
goldne Saiten aus Därmen,
sie fügen Bein an Bein, des Fleisches ledig,
schon hebt sich hoch zum Himmel
locker das Gebein, die Knochen klirren
aneinander, ein Kollier, und Splitter
aus Horn klappern im Wind, Knochenmusik
des Himmels ertönt am Xylophon.
Die vielen Stoffe haben sicher
ihre Farben ausgeblutet,
ich steh’ im Roten und Blauen,
das Indigo arteriellen und venösen
Blutes tränkt meine Sohlen.
Meine Hand wühlt in das verfilzte Fell des Lammes,
es wird willfährig verschluckt,
bis an die Ellbogen such ich, erforsche
die heiße, pulsierende Haut, doch überall
finde ich Vlies nur und Wolle, ich bin schon zur Hälfte versunken
im Lamm, es gibt keinen Körper,
ich tauche sanft ins Körperlose,
als glitte ich durch Öl,
so verschluckt mich der wollene Ballen,
die Fasern kitzeln die Nase und reizen zum Niesen,
kitzeln die Ohren und machen mich lachen,
mich jucken die Zellen, sie alle erglühen,
im endlos langen Schweben scheuern
die lockigen weichen Fäden
von mir alle Kleidung,
die Haare, die Haut herunter,
einzeln fliegen die Bumerangs
meiner Knochen schließlich
über die wollige Schneelandschaft.
2. Das offene Buch
Ich halte das Buch geöffnet,
vollgehäkelt von Klöpplerinnen
mit fortlaufend rastlosen Käfern,
ihr Krabbeln und Ticken schlägt mir
von den Buchseiten entgegen.
Und doch fehlt so viel daraus,
zu wenig des Raumes
Rauhreif, zwischen die Zeilen zerrieben,
Sonnenschein, zwischen die Lettern gemahlen.
Es brauchte noch einige pralle Luftblasen
in die Schlingen der Os, der Ks, der Es.
Die Luft um das Lamm herum zittert
vom Flügelschlag heimlicher Schmetterlinge.
Ich warte, daß einer von ihnen
sich niedersetzt auf das Buch,
um dann die Schrift
plötzlich zuzuschlagen.
Gelingt es mir, einen Falter zu fangen,
wird es dem Buch an nichts mehr ermangeln
fürderhin.
Ich brauche es gar nicht aufzuschlagen,
es hat wie mit glühendem Eisen
sämtliche Buchstaben
mir ins Gehirn gebrannt.
3. Weihrauchschwenker
Wir rammten den Duft wie ein blitzendes Messer
in den Altartisch.
Vergeblich das Zerren und Ziehen,
es kommt nie und nimmer heraus.
Aus seinem Heft sprießt ein Weihrauchbusch,
er wächst zur Menschenmenge hin
und teilt sich in parallele Ströme,
die füllen die paarigen Nasenlöcher,
setzen Laub an in der Lunge,
bilden kristallene Tuberkelknötchen.
Wenn alle dann nach Hause gehen,
brechen die Äste mit gläsernem Klirren
vom Stamm und bleiben auf immer
in den Atemwegen der Frommen.
Von ihren Zungen vergeht nie mehr
das kühl versengende Feuer
der frischen Minze.
4. Der Springbrunnen
Aus einem formbaren, harten Material wie diesem
lassen sich Perlenschnüre sehr schwer ziselieren.
Die einzelnen Glieder verjüngen sich oft
zu zähen, gezogenen Fäden
und reißen wie Teig.
Tausende eisige Fingerkuppen betasten
unsere Hände, Ellbögen, Gelenke,
bis sie von unserer Haut abperlen.
So wechseln sie die Form, ohne Unterlaß:
was bisher Lücke war,
das schließt sich jetzt zum knorrigen Knoten,
was jetzt noch rieselnder Sprühregen ist,
das schwillt zur wiegenden Mutterbrust an,
reift zur schweren Frucht, vielkarätig.
Und doch, als fädelten wir die ganze Welt
durch den engen Querschnitt eines einzigen Menschengehirns,
so führen wir durch den feinen silbernen Trichter
alle unebenen Meere, alle bissigen Kaskaden,
sämtliche Flüsse mit ihren tanzenden Ballen
und alle Seen, diese kopfunter hängenden,
bildsamen Heuschober.
Wir posamentieren die Luft
mit allerlei Fäden aus Glas.
Aus dem Ungarischen von György Buda